Stellungnahme zur überraschenden Abschiebung von Naveed Abbas

Der Fall „Naveed Abbas“ – nur einer von vielen? Müssen wir in unserer Wohlstandsgesellschaft Folgendes wirklich „einfach nur zur Kenntnis nehmen“: ein junger Mensch, der nicht das Glück hatte, im reichen Österreich geboren zu werden, der seine Heimat und seine Familie wegen Krieg und Verfolgung verlassen musste, der unter schwierigsten Umständen in unser schönes Land gekommen ist und das zu einer Zeit, in der Flüchtende aus dem Nahen Osten willkommen waren und von einer breiten Bevölkerung und den verantwortlichen Politikern unterstützt wurden, in den auch viel Steuergeld für Ausbildung investiert wurde – und nun, viele Jahre später, als er in der Lage ist, aus eigener Kraft unserem Land auch wieder etwas zurück zu geben, sagt ihm das offizielle Österreich scheinbar grundlos und ohne jeglichen Anlass „Du bist hier nicht mehr willkommen – du musst wieder „nach Hause“ (in ein zu Hause, das keines mehr ist..) Und das auch noch in einer grausamen Art und Weise, die jegliche Menschenwürde außer Acht lässt.

Naveed Abbas war von September 2016 bis Juni 2018  außerordentlicher Schüler an der HLW Tulln. Zu dieser Zeit wurden etwa 15 junge Menschen in unserer Schule betreut: sie waren in den verschiedensten Klassen integriert und erhielten in einer „Sprachstartgruppe“ Unterricht in Deutsch, aber auch Einblick in die österreichische Lebensweise. Es gab keine Probleme mit der Disziplin oder der Integration. Sie waren „einfach da“ und bereicherten die Vielfalt an unserer Schule.

Lehrer, die Naveed unterrichteten, erinnern sich gerne an ihn:

„Er ist als besonders reifer und verantwortungsvoller junger Mann aufgefallen. Außerdem war er sehr hilfsbereit. Das Lernen der deutschen Sprache ist ihm nicht leicht gefallen, aber er hat sich sehr bemüht. (Er hatte einen leichten Sprachfehler.)

Er hat auch immer wieder die anderen motiviert, wenn mal die Stimmung schlecht war und hat auch Verantwortung für die Gruppe übernommen.

Dass er abgeschoben wurde, bestürzt mich zutiefst. Ich fühle mich hilflos und weiß nicht, was man dagegen unternehmen könnte.“

„Die Nachricht, dass - und vor allem auch wie - Naveed abgeschoben worden ist, hat mich sehr betroffen gemacht.

Ich habe seinen Einsatz beim Deutschlernen, seine unermüdliche Lernbereitschaft immer bewundert, da Deutsch mit einer arabischen Ausgangssprache wegen der sehr unterschiedlichen Struktur und der anderen Schrift wirklich nicht leicht zu erlernen ist. Trotz der Schwierigkeiten hat er nie aufgegeben und sich immer sehr bemüht. Er hat deshalb auch sehr gute Fortschritte gemacht.

Naveed war immer freundlich, meistens gut gelaunt (und wenn nicht, dann hat er sich zurückgezogen, es aber nie an anderen ausgelassen), extrem hilfsbereit und interessiert an allem, was neu und anders war. Aufschlussreich waren auch die Gespräche, wo wir Vergleiche unserer sehr unterschiedlichen Kulturen angestellt haben. (Ich erinnere mich z.B. an eine Galanacht, wo wir uns über unterschiedliche Möglichkeiten zu feiern unterhalten haben.) Er hat sich in der Deutschklasse ebenfalls immer um gegenseitiges Verständnis und Toleranz anderer Meinungen bemüht, was angesichts der sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten in diesem Kurs nicht immer einfach war.

Als er schließlich die Möglichkeit hatte, einen Schulabschluss zu machen, hat er sich sofort dazu entschlossen und zielorientiert darauf hingearbeitet, weil er wusste, wie wichtig eine Ausbildung ist und weil er auch arbeiten, seinen Beitrag leisten wollte in dem Land, das ihm eine neue Chance gegeben hat.

Ich bin traurig, wütend, sprachlos, dass in Österreich so mit Menschen, die sich ehrlich um Integration bemühen, umgegangen werden darf.“

Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen macht mich die Tatsache, dass Naveed – nach all diesen Jahren – abgeschoben wurde, fassungslos. Umso mehr, als einem weiteren Schüler unserer Schule, der derzeit die 2. Klasse besucht – ebenfalls voll in die Schulgemeinschaft integriert, dankbar für all die Unterstützung bei uns, immer freundlich und hilfsbereit und ganz besonders bemüht zu lernen und Erfolg zu haben – das gleiche Schicksal droht. Auch Amin, der bereits seit 5 Jahren in Österreich ist, wurde nach einem Interview von einen Tag auf den anderen in eine staatliche Unterbringung in Ossiach (!) gebracht („deportiert?“) und wartet dort auf eine Entscheidung im Asylfolgeverfahren. Trotz dem nimmt er regelmäßig am Online-Unterricht teil.

Naveed und Amin – nur zwei von vielen. Aber als Leiterin einer HUMAN-beruflichen Schule kann und will ich das nicht unkommentiert zur Kenntnis nehmen, sondern zumindest durch das Verfassen dieser Zeilen möglicherweise dazu beitragen, dass das offizielle Österreich wieder menschlicher = humaner wird.

Mag. Margit Längauer

Ich habe Naveed 2018 in meiner Funktion als Klassenvorständin der damaligen 4B an der HLW Tulln kennengelernt. Er wurde als außerordentlicher Schüler geführt, was bedeutet, dass er dem Unterricht aufgrund seiner damaligen Deutschkenntnisse noch nicht ausreichend folgen konnte und deshalb auch nicht benotet werden durfte. Obwohl er also damals wenig vom Unterricht verstanden haben kann und auch nicht auf einen Abschluss an unserer Schule hinarbeiten konnte, war Naveed jeden einzelnen Tag anwesend, hörte konzentriert zu und nahm alle Fördermaßnahmen an unserer Schule motiviert an. Allein dieses außergewöhnliche Engagement zeigt, was für ein Mensch Naveed ist.

Schon kurz nach seiner Aufnahme in den Klassenverband wurde klar, dass er nicht nur ein passives, sondern lieber ein aktives Mitglied der Klasse sein wollte und so übernahm er daraufhin die sonst für SchülerInnen immer so lästigen organisatorischen Aufgaben wie zB Geld einsammeln, Listen abhaken, Zettel austeilen, etc. Naveed hat mir durch seine verlässliche Hilfe viel Arbeit abgenommen und seine Hilfsbereitschaft auch während seiner mehreren freiwilligen Praktika bei Komit Wien, im Rosenheim Tulln und bei der Tullner Pfotenhilfe bewiesen.

Was Naveed während seiner Zeit in Österreich gegen alle Widrigkeiten, die mit dem Schicksal eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings einhergehen, geleistet hat, ist bei Weitem nicht selbstverständlich. Er erlernte unsere Sprache unglaublich schnell, erarbeitete sich sogar einen Pflichtschulabschluss, schloss Freundschaften und wurde nicht zuletzt zum geliebten Familienmitglied seiner Ziehmama.

Und ich frage mich also nun, wie ich zukünftig anderen außerordentlichen SchülerInnen in die Augen schauen und sie weiter ehrlich motivieren kann, ihr Bestes zu geben, wenn Naveeds Beispiel doch zeigt, dass sogar die Fleißigsten, Verantwortungsbewusstesten und Integriertesten unter ihnen von heute auf morgen abgeschoben werden können. Es bleibt ihnen sogar verwehrt, sich von ihren Lieben zu verabschieden, bevor sie in ein Land abgeschoben werden, welches nach so vielen Jahren nicht mehr ihre Heimat ist, aus dem sie von ihren Familien aufgrund ihrer nun zu österreichischen Lebensart häufig verstoßen werden. Genau das ist nun Naveeds gelebte Realität und er ist damit leider nicht alleine.

Während der letzten Monate bekamen ähnliche Schicksale viel mediale Aufmerksamkeit. Die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss wurde daher bekannterweise mit der Leitung der Kindeswohlkommission betraut und erst letzte Woche wurden die ersten Forderungen des Zwischenergebnisses bekannt. Eine davon ist es, den Bürgermeistern, Lehrern und Nachbarn Gehör zu schenken und deren Empfehlungen bei der Entscheidung bezüglich der Möglichkeit eines humanitären Bleiberechts zu berücksichtigen. Wie viele vorbildliche und geliebte junge Menschen, die wie Naveed bereits ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft geworden sind, müssen wir noch verlieren bis dieser Forderung stattgegeben wird, die, davon bin ich überzeugt, Naveed hätte retten können?

Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es Naveed selbst, aber auch seiner Ziehmama, die er liebevoll Omi nennt, und seiner Partnerin gerade geht. Alles, was mir bleibt, ist ihnen das Allerbeste zu wünschen und zu hoffen, dass sie Naveed eines Tages wieder auf sicherem Boden in die Arme schließen können.

Mag. Beate Lichtenegger

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